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Quo Vadis – Personalwesen: Was heute schief läuft und morgen anders sein sollte

Stefan Nette hat auf seinem Blog „aussYcht: Gen Y, HR und die Zukunft der Arbeit“ eine interessante Interviewreihe gestartet. Auch ich durfte dabei sein – hier ein Teil meiner Antworten auf seine Fragen zur Zukunft der Personalarbeit. Das gesamte Interview ist hier zu finden:

Quo Vadis – Personalwesen: Was heute schief läuft und morgen anders sein sollte.

Die Diskussion ist im vollen Gange und es ist nicht von der Hand zu weisen, dass HR, also das Personalwesen in deutschen Unternehmen derzeit maßgebliche Probleme hat. Nicht überall aber dennoch auffällig, denn mittlerweile ist die Diskussion sogar in den Massenmedien angekommen. Grund genug die Experten zu Wort kommen zu lassen, denn hier werden sich sicherlich viele Interessante Sichtweisen offenbaren und am Ende könnte so ein differenziertes Bild entstehen. Vielleicht ein interessante Sammlung für jeden Personaler, der es zukünftig besser machen und auch wieder bei Unternehmensentscheidungen mitreden will.

Stefan Nette: Lieber Thomas Eggert, wie erleben Sie derzeit die Personalarbeit in deutschen Unternehmen?

Nun, ich glaube, dafür gibt es keine pauschale Aussage. Aus meiner Erfahrung heraus gibt es da drei wesentlichen Unterschiede.

Der abgehobene Visionär

Er bewegt sich ständig in fernen Spheren, diskutiert im Unternehmen bei allen Themen mit und spricht nur noch von Thema 4.0 (oder bei welcher Zahl er auch gerade ist), ist Spezialist in allen Social Media Kanälen oder auch Profi im Marketing. Ganz nebenbei steuert er die Innovation im Unternehmen, ist Feel Good Manager und führt gleichzeitig Retention Management und Story Telling im Unternehmen ein. Leider verliert er hierbei manchmal den Boden unter den Füßen und auch den realen Bezug zum Unternehmen und seinen Mitarbeitern.

Der ewige Jammerer

Über diese Spezies liest man komischerweise am meisten in den deutschen Medien. Sie beklagen sich ständig darüber, dass die Personalarbeit nicht entsprechend akzeptiert wird, dass sie nicht von der Geschäftsführung als gleichwertiger Partner gesehen werden und wundern sich, warum die Führungskräfte sie am liebsten abschaffen würden. Das tut er dann in allen Medien kund und wundert sich, warum es bei ihm im Unternehmen nicht besser wird, er engagiert sich in allen möglichen Vereinigungen (die ja offiziell genauso jammern) und er weiss vor lauter Jammern auch gar nicht mehr, was bei ihm im Unternehmen so abläuft.

Der kreative Macher

Personaler, die hauptsächlich in KMU’s tätig sind und hier einen hervorragenden Job machen. Sie lassen sich nicht beeinflussen (oder haben gar nicht die Zeit dazu) von den ewigen Diskussionen rund um die Wertigkeit der Personalarbeit und sich darum kümmern, dass das Personalgeschäft in Ihrem Unternehmen einfach läuft. Sie haben ihre Prozesse im Griff, wissen Bescheid über die Sorgen und Nöte Ihrer Mitarbeiter und haben auch den richtigen Zugang zu den Führungskräften und der Geschäftsführung und sind anerkannter Partner des Betriebsrates. Hierbei müssen sie aber laufend sehr kreativ vorgehen, da sie häufig eingezwängt sind in enge Budgets und Von und über diese Personaler hört man in der Öffentlichkeit (leider) sehr wenig, sie erfüllen aber unauffällig und zuverlässig einen der wichtigsten Jobs im Unternehmen.

Stefan Nette: Welche Herausforderungen sehen Sie in Zukunft vermehrt für die Personalarbeit in deutschen Unternehmen?

Herausforderungen wird es in der Zukunft mehr als genug geben – ich frage mich nur immer wieder, ob die wirklich so neu sind. Dass wir in ein demografisches Problem kommen, ist nicht kurzfristig und überraschend da, sondern durch Geburtenstatistiken seit Jahren oder bereits seit Jahrzehnten bekannt. Die Veränderungen, die die neuen Medien mit sich bringen, haben sich in den letzten Jahren entwickelt und wer sich nur ein wenig damit beschäftigt hat, für den ist das alles sicher nicht überraschend.

Gleichzeitig werden sich Personaler vermehrt auch um ihre Effizienz und die finanzielle Wertigkeit ihrer Arbeit kümmern müssen. Nur mit sozialen Themen oder Wohlfühlfaktoren allein wird sich Personalarbeit in Zukunft nicht mehr messen lassen. Es werden auch harte Fakten, wie zum Beispiel Budgets, Betreuungsquoten oder effizienter Einsatz von Systemen und Tools eine Rolle spielen. Hinzu kommt die Bereitstellung von Self Service Szenarien für Mitarbeiter und Führungskräfte.

Stefan Nette: Was können Personaler tun um diesen Herausforderungen entgegen zu treten?

Sich auf Ihre Kernkompetenzen besinnen. Also genau auf das Business, das sie (normalerweise) verstehen und auch beherrschen. Früher war das relativ einfach – den richtigen Mitarbeiter zur richtigen Zeit an der richtigen Stelle zur Verfügung stellen. Nun, daran hat sich grundsätzlich nichts geändert, nur ist das etwas schwieriger geworden und jeder glaubt, hier mitreden zu können. Ich glaube, Personaler müssen viel mehr auch zu Verkäufern werden (auch wenn sich das vielleicht beim ersten Lesen etwas widerspricht). Aber auch mal einen Erfolg im Unternehmen richtig zu verkaufen, kann eine sehr positive Auswirkung für die Reputation haben – das sollten sich auch Personaler auf die Fahne schreiben.

Stefan Nette: Welche Fehler, oder Verhaltensweisen sollten aus Ihrer Sicht in Zukunft vermieden werden?

Aufhören zu jammern, aufhören sich für alles verantwortlich fühlen, aufhören anderen Bereichen zu erklären, wie sie ihren Job machen sollen. Ich habe kürzlich in einem Artikel mit der Überschrift „Why we love HR“ gelesen, dass „HR über den Erfolg des Unternehmens entscheidet“. Ich glaube, dass eine Aussage „We love HR“ sicher der richtige Weg ist und wir uns zu Personalarbeit bekennen müssen – aber bei Liebe, die Aussage, dass „HR über den Erfolg des Unternehmens entscheidet“ finde ich wieder mal masslos übertrieben. Genau mit diesen Aussagen ziehen sie die Missgunst der anderen Bereiche auf sich. Was ist mit dem Vertrieb, der Entwicklung, dem Customer Service – tragen die nicht auch zum Unternehmenserfolg bei? Jetzt werden einige sagen, dass die Personalabteilung hier die richtigen Mitarbeiter findet – aber die Personalabteilung lebt davon, dass diese Mitarbeiter Geschäft generieren und Umsatz und Gewinn erwirtschaften. Wo wäre die Personalabteilung ohne diese Mitarbeiter. Oder wenn ich lese, dass „nur HR den Blick für das Ganze hat“  – was ist mit der Unternehmensentwicklung, dem Finanz-Bereich, der IT und vielen anderen Bereichen – haben die nicht auch den Blick auf das ganze Unternehmen?

Stefan Nette: Welche Gefahren sehen Sie für das Personalwesen, wenn an den bestehenden Mustern festgehalten werden sollte?

Ich sehe schon die Gefahr, dass die Diskussion um eine Abschaffung der Personalabteilung immer größer und irgendwann zur selbsterfüllenden Prophezeiung wird. Das wäre aus meiner Sicht fatal. Gleichzeitig aber müssen sie auch aufhören, alles nur auf einer Meta-Ebene zu diskutieren und müssen endlich mal konkret zu werden. Personaler kann ja heutzutage scheinbar jeder werden – egal ob Physiker, Psychologe, SAP Berater, Jurist, Theologe oder Betriebswirtschaftler. In keinem Berufsstand ist dies so einfach möglich. Nehmen wir einmal das andere Extrem – Ärzte. Um Arzt zu werden, braucht es ein jahrelanges Studium, Praktika, Spezialisierungen. Und wenn man dann den Beruf ausübt, ist ständiges Lernen nicht nur nützlich sondern notwendig. Ärzte müssen laufend Ihre Befähigungen und ihre Weiterbildung nachweisen. Personaler werden einmal ernannt und bleiben es ein Leben lang, egal wie sie sich weiter entwickelt haben. Vielleicht sollten Personaler mal daran arbeiten – und ich meine damit nicht nur den Personalfachkaufmann, der sicher eine gute und umfassende Ausbildung bietet, aber mit dem vorgenannten Beispiel nicht viel gemeinsam hat.

Auch glaube ich, dass sich die Personaler mit manchen Diskussion auch so langsam unglaubwürdig – wenn nicht sogar lächerlich – machen. Schauen wir uns nur mal diese ewige Diskussion um die Generation Y an. Hunderte von Studien werden in Auftrag gegeben, das Ergebnis ist ja nach Auftraggeber oder Zielrichtung unterschiedlich. Und trotzdem wird das Thema bis zur Unendlichkeit diskutiert. Und was bringt es wirklich? Das kann vermutlich niemand genau sagen – da sollte man mal eine Studie dazu machen …

Stefan Nette: Hand aufs Herz, welche Daseinsberechtigung hat die Personalarbeit in Ihren Augen. Ist Sie aus Ihrer Sicht vielleicht sogar überflüssig?

Als überflüssig sehe ich die Personalabteilung in keinster Weise. Aber Personaler müssen an ihrem Selbstbewusstsein und ihrem Selbstverständnis arbeiten. Die Zeiten, in denen Personaler über alles entscheiden und ihr Wissen ein Herrschaftswissen ist, sind vorbei. Nehmen wir mal als Beispiel eine Einstellung. Der Personaler entscheidet nicht, wie gesucht wird, wer eingestellt wird, welche Gelder dafür ausgegeben werden – das wird immer mehr Job der Führungskraft werden. Der Personaler muss aber genau diese in die Lage versetzen, die richtigen Entscheidungen zu treffen, die richtigen Recruitingtools zur Verfügung stellen und über Bezahlungsmodelle beraten. Also weg von der Wissensbündelung der Personaler hin zu einer Befähigung von Führungskräften, entscheidende Personalfunktionen selbst übernehmen zu können.

Aber auch technisch gesehen, müssen Personaler ihre Kompetenz erweitern. Die IT darf nicht mehr Widersacher ohne Budgets für Personalsysteme sondern muss zum Partner und Business Enabler für Personaler werden. Gemeinsam müssen Tools zur Verfügung gestellt werden, um Personalarbeit effizient und vor allem transparent zu machen. Sei es durch Bewerbermanagement-Systeme, Self Service Szenarien, Recherche-Möglichkeiten oder so einfache Dinge wir eine digitale Personalakte. Wenn man mal sieht, dass immer noch mehr als 70% der Unternehmen Akten noch in Papier lagern, dann ist es mit der modernen Personalarbeit noch nicht weit gediehen …

Stefan Nette: Gibt es noch weitere Aspekte die Sie mitteilen möchten?

Personaler müssen aufhören sich selbst zu bemitleiden, Mut zu konkreten Themen haben, andere Bereiche als gleichwertige Partner annehmen, Erfolge nachweisen und auch verkaufen. Dann klappt’s auch mit der Reputation im Unternehmen.

Vielen lieben Dank, dass Sie sich die Zeit und Mühe gemacht haben, mir die Fragen zu beantworten. Ihre Sichtweise ist ein Teil im Mosaik der Möglichkeiten und Notwendigkeiten. Es gibt viel zu tun, packen wir es an.

weitere Interviews im Blog von Stefan Nette

Thomas Eggert

Schon seit fast 30 Jahren beschäftige ich mich mit dem Thema Personalarbeit, ob zuerst als Personalmanager oder später als Partner der Personalmanager. Meine Themen sind vor allem das operative Personalmanagement, das neben Themen wie Recruiting oder Personalentwicklung die Basis des Personalgeschäfts absichert. Weiterhin beschäftige ich mich mit der Effizienz in modernen Personalabteilungen.

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