HR in der Cloud – Vier Blickwinkel über eine Revolution im HR Management (Teil 2)
Thomas Eggert: Herr Keuchel, in der letzten Ausgabe erläuterten Sie uns die Einordung von HR Cloud im Gesamtzusammenhang. Was bedeutet HR in der Cloud speziell für HR IT?
Vielen Dank für die Gelegenheit zum Austausch in unserem zweiten Teil der Serie HR in der Cloud, in der es um die IT des HR-Bereichs geht. Zunächst ist einmal zu klären, wofür HR IT steht. Dies ist höchst unterschiedlich und unterscheidet sich wesentlich durch die Unternehmensgröße.
In kleinen und mittelständischen Unternehmen (KMU) wird die Aufgabe vom IT Operations Verantwortlichen und ggf. ein bis zwei Mitarbeitern abgedeckt. Das sind begrenzte Ressourcen im Anbetracht der erforderlichen Kenntnis von HR IT Produkten, Abdeckung von HR Prozessen sowie das Verständnis für die Anforderungen des Fachbereichs. Deswegen besteht ein regelmäßiger Bedarf sich mit externen Experten zu vernetzen, Ihre spezielle Kompetenz abzugreifen und ggf. diese als „verlängerte Werkbank“ einzusetzen. Es kommt auch nicht selten vor, dass die HR IT-Kompetenz – zumindest aus strategischem Blickwinkel – sich historisch im HR-Bereich entwickelt hat, je nachdem wie kompetent die entsprechenden Mitarbeiter sind.
In Konzernen sieht das in der Regel anders aus. Es herrscht Vollversorgungsmentalität. HR IT ist verantwortlich für Design, Implementierung, ggf. Entwicklung sowie Wartung und Betrieb der Applikationen. Trotz der Verfügbarkeit von internen Experten ist nicht immer klar, welche Prioritäten gesetzt werden sollen. Ist der Projektarbeit Vorzug gegenüber der Applikationswartung zu geben? Wer kümmert sich um den First-Level-Support / Anfragen? Wieviel Knowhow kann vorrätig gehalten werden und wo muss zugekauft werden? Ist es möglich das Wissen in der rasant wechselnden Softwarewelt bei den Mitarbeitern aktuell zu halten? Wie sieht es mit der Vertretung aus, um sich nicht von Einzelpersonen abhängig zu machen?
Es zeigt sich heute schon, dass auch bei großen Unternehmen das Schritthalten mit den Fortschritten in Software, Architektur, Dienstleistung und Digitalisierung eine Herausforderung darstellt. Bei größeren Projekten werden Themen-Experten eingekauft, die nach Abschluss des Projekts nicht mehr weiter beschäftigt werden müssen. Die Anforderungen an den HR IT Experten Mitarbeiter steigen. Er wird mehr und mehr strategischer Experte sein und kompetent Projekte und Dienstleister steuern.
Welche neuen Anforderungen sehen Sie durch HR in der Cloud auf HR IT zukommen?
Zunächst ist es erforderlich, die wichtigsten verfügbaren Produkte kennenzulernen und Ihre Charakteristika mit den Anforderungen des Unternehmens abzugleichen. Dabei sind weniger Kenntnisse in der Konfiguration der Software (=Customizing) als in der Funktionalität erforderlich. Es gilt also Produkt Knowhow anzusammeln. Sobald der Wissensaufbau erfolgt ist, wird klar wo Anknüpfungspunkte der Prozesse Schnittstellen erfordern und welche Daten ausgetauscht werden müssen. Das heißt, es ist zusätzlich Schnittstellen Knowhow erforderlich. Auch dieses Gebiet ist eine Materie für sich. Es gibt speziell dafür hergestellte Middleware Produkte, universelle offene zertifizierte Schnittstellen sowie proprietäre Schnittstellen bekannter Softwarehersteller, die auch Ihre Berechtigung haben.
Eine dritte sehr wichtige Anforderung ist es in enger Kooperation mit Entscheidungsträgern aus HR zu stehen. Ein regelmäßiger institutionalisierter Austausch gibt beiden Parteien ein gegenseitig besseres Verständnis, so dass sich das Niveau auf Partnerschaftslevel etablieren kann. Es ist dabei unwichtig wer die Initiative treibt. Sowohl HR-IT als auch HR können aktiv werden, es gibt hier kein zwingendes Maß oder Allheilmittel.
Das klingt nach sehr viel Expertise. Woher soll der IT Bereich das alles wissen?
Ein Ansatzpunkt könnte sein, die Verhaltenseinstellungen zu überprüfen. Führungskräfte können Lernprozesse fördern, um Ihre Mitarbeiter zu Experten reifen zu lassen. Eine ständige Fortbildung muss zum Alltag gehören. Diesen Mindshift gilt es bei den Mitarbeitern zu erreichen und das Lernen mit Hilfe von erfahrenen Experten zu fördern.
Das ist mir noch etwas zu pauschal. Wo kann HR IT genau ansetzen?
Neben dem Aufbau von Knowhow muss HR IT Ihre bestehende HR IT – Strategie überprüfen. Sollte es dieses Papier nicht geben, so ist jetzt der Zeitpunkt gekommen, diese zum einen entlang der HR-/Business Strategie und an der gesamten IT-Strategie auszuarbeiten. Dabei sollten die Anforderungen des Kerngeschäfts im Mittelpunkt stehen. Z.B. ist bei einer Wachstumsstrategie eher die Unterstützung von Talentprozessen erforderlich, bei schrumpfendem Geschäft oder intensivem Wettbewerb wird eher Effizienz- und Effektivität von HR gefragt sein. Ganz unabhängig davon wird das Business immer Wünsche an oder Defizite in HR oder HR-IT erkannt haben. Meist liegen die Ergebnisse und Informationen aus Umfragen im Unternehmen oder aus Managementmeetings bereits vor, werden aber nicht in entsprechende Maßnahmen umgemünzt.
Wie können Ihrer Meinung nach diese Maßnahmen konkret aussehen?
Die HR IT-Strategie sollte in eine Projektplanung = „Roadmap“ münden, die für die nächsten 3 Jahre Handlungsfelder mit Maßnahmen und Prioritäten auflistet. Um beim Beispiel der Wachstumsstrategie zu bleiben, ist zu skizzieren, mit welchen Maßnahmen Recruiting, Performance Management und Succession Planning optimal unterstützt werden und ggf. durch HR Cloud Software erneuert werden können. Nicht zu vergessen ist auch die Berücksichtigung eines HR Core für globale Stammdaten und entsprechende Anbindungen bzw. Schnittstellen zu länderspezifischen Systemen. Ganz egal, ob die länderspezifischen Payroll, Time und Reporting- Anforderungen in einem SAP-System, mehreren dezentralen Systemen oder durch Lösungen externer Partner (Outsourcing, Application Service Providing) geregelt sind. Die einheitliche Mitarbeiterdatenbasis hilft nicht nur Compliance-Ziele besser zu erreichen, sondern unterstützt vor allem auch die von allen immer gewünschte Prozessverbesserung, die ja häufig an den speziellen Wünschen und Sonderlocken scheitert.
Die so entwickelte Roadmap gibt sowohl HR als auch HR IT Sicherheit sowie Perspektive und gewährleistet Investitionssicherheit. Sie sollte regelmäßig, z.B. in einem jährlichen Überprüfungsprozess angepasst und fortgeführt werden.
Das klingt ja alles sehr high-level. Früher hat die IT sich um Release Wechsel, Zusatzprogrammierung von Sonderanforderungen und Schnittstellenwartung gekümmert. Wo bleiben die bisherigen Aufgaben?
Es mag sich high-level anhören – die oben genannten sind nun mal die wichtigsten Aufgaben.
Der Release Wechsel kann ein wichtiges Projekt für die Funktionserweiterung sein, er kann aber auch nur ein lästiges Zwangsupgrade sein. Beides wird bei „HR in der Cloud“ vom Hersteller übernommen und die interne Leistung beschränkt sich auf Testaufgaben, Training und Change. Somit ist diese Tätigkeit gegenüber früheren Release Wechseln deutlich vereinfacht und fordert weniger Input von HR IT.
Zusatzprogrammierungen sind in der heutigen Zeit besonders kritisch zu betrachten. Sonderanforderungen sind und waren die größten Hemmschuhe für spätere Veränderungen an Prozessen und Software und somit hinderlich für eine Fortentwicklung von HR Dienstleistungen. Während in Kernprozessen des Business die Prozesse möglichst 100% maßgeschneidert sind, hat sich HR aus Kostengründen längst von Individualsoftware verabschiedet. Sie ist schlicht zu teuer und auch nicht erforderlich. Das Angebot an Standardsoftware ist hoch und Funktionsabdeckungsgrade von 80-90% reichen meist aus. Ein Business Case für die letzten 10% Funktionalität bringt im Zweifel Klarheit.
Die Wartung von Schnittstellen wird eine ernstzunehmende Aufgabe sein. Entweder die Produkte lassen sich über genormte Schnittstellen verbinden oder die IT wird sich ein Verfahren einfallen lassen, das zumindest einen halbautomatischen Datenaustausch ermöglicht. Fehlerquellen sind dabei dauerhaft zu eliminieren, um zu vermeiden, dass die Produktverknüpfungen zum operativen Kostentreiber werden.
Das heißt Sie fordern von HR IT mehr planerische als operative Aufgaben?
In der Tat ist HR-IT in IT-Operations ein eher kleiner Verantwortungsbereich, der sich um die Steuerung von Providern und Experten für das Application Management kümmern wird. Cloud Systeme werden von den Providern „gemanaged“ und „monitored“. Die Provider kümmern sich um die Ausfallsicherheit der Infrastruktur, bieten neue, optionale Funktionen in ihren Softwarepaketen und planen mit Ihren Kunden die Umstellung und die Umstellungszeiten, sofern diese überhaupt noch erforderlich sind. Viele dieser operativen Basisarbeiten – früher das eigentliche Doing – entfallen für die eigene IT.
Wenn HR IT stärker planerisch aktiv wird, muss sie nicht noch enger mit HR verzahnt werden?
Das ist eine interessante Fragestellung. Ob die gewollte Trennung von HR (Definition der Business Requirements) und IT (HR IT Demand und Supply) so noch Sinn macht oder auch andere Organisationsformate attraktiv werden, ist zu bewerten und hängt von vielen Faktoren ab. Z.B. hängt die Fragestellung von der Größe des Unternehmens, der Diversifikation der Unternehmensbereiche, von der Machtstellung einzelner Abteilungen und damit auch von festen Strukturen ab. Des Weiteren ist auch die generelle Einstellung des Unternehmens zu Transformation und zu kontinuierlichen Verbesserungs- oder Entwicklungsprozessen ein Kriterium für die Bereitschaft zur Organisationsveränderung.
Kein Unternehmen gleicht dem anderen, deswegen ist ein individuelles Konzept von Nöten, das die Zusammenarbeit in optimale Bahnen lenkt, mit dem Ziel dem Kunden, nämlich Führungskräften und Mitarbeitern, den besten Service zu bieten.
Lesen Sie in der nächsten Ausgabe „Wie HR sich transformieren kann, um Mehrwert mit Cloud Services zu bieten“.
Zur Vita – Peter Keuchel, keuchel consulting
Als Experte für strategische Beratung verfügt Peter Keuchel über weit reichende Erfahrungen der Unternehmensberatungspraxis als Berater auf Geschäftsleitungsebene, Projektleiter und Change Manager. Dabei profitiert er von seiner langjährigen Erfahrung in HR Transformation. Peter Keuchel berät internationale Klienten bei der Entwicklung von Business Cases, Prozessoptimierung – speziell in Verbindung mit dem Aufbau von Service Centern. Seine Kompetenz im Projekt- und Risikomanagement zeichnet Ihn ebenso wie sein Personalmanagement-Fachwissen aus.
Der diplomierte Betriebswirt und Informatiker begann seine Karriere bei einem produzierenden Betrieb als System Analytiker. Hier sammelte er erste Erfahrungen als Projekt Manager eines Implementierungsprojekts. 1996 baute er den Bereich „HR Processes and Application“ für Ernst & Young/Capgemini auf. Drei Jahre später übernahm er die Position als Unit Manager und war für Delivery und Sales verantwortlich. Zu seinen Kunden gehörten unter anderen Bertelsmann, Deutsche Post AG, Postbank, E.ON und Holcim. In seinen Tätigkeitsbereich zählte zudem die Service Partnerschaft mit der Firma SAP, die er ausbaute und vorantrieb. 2005 übernahm Herr Keuchel die Leitung des Strategiebereiches bei Arinso International mit dem Ziel HR Services bei international tätigen Unternehmen zu strukturieren und zu optimieren. Im Jahr 2007 gründete er Keuchel Consulting, um seine Erfahrungen mit Veränderungen im Personalmanagement zu fokussieren und im Netzwerk von erfahrenen Coaches, Beratern und Interimsmanagern als Dienstleistung anzubieten.