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Wie viele Online-Konferenzen braucht die HR-Welt?

Nicht erst seit „Live-Veranstaltungen“ gestoppt wurden – Online-Konferenzen sind derzeit das Medium, um Inhalte in die HR-Welt zu tragen. Wo man sich früher auf Messen oder Tagungen noch live informieren konnte, hat nun auch die Digitalisierung Einzug gehalten. Statt zu den Veranstaltungen zu fahren, sich Vorträge anzuhören oder mit Anbietern persönlich zu sprechen, sitzt der interessierte Personaler heute vor dem Bildschirm und konsumiert passiv. Natürlich mit allen Stilblüten, die Webinar mit sich bringen („Bin ich schon zu hören?“, „Sehen alle meine Präsentation?“, „Wer hört mich?“). Doch ist das wirklich das Nonplusultra oder profitiert nur einer davon – Anbieter der Plattformen und Konferenzen?

Es vergeht nicht ein Tag, an dem Einladungen zu einer Online-Konferenz über die sozialen Medien verbreitet werden. Mit verschiedenen Ansätzen. 1 h Vorträge zu einzelnen Themen, 2-3 h mit 3-4 Vorträgen oder ganz kurze „Pitches“, Tagesveranstaltungen zu Spezialthemen oder mit gemischten Inhalten oder sogar mehrere Tage, voll geballt mit Inhalten zu den verschiedensten HR-Themen.

Sehr unterschiedlich sind auch die Referenten der einzelnen Inhalte. Setzen manche Veranstalter auf bekannte HR-Größen, geben andere Veranstalter Anbietern von Personaldienstleistungen oder -software die Möglichkeit, ihre HR-Dienstleistungen oder -produkte zu präsentieren.

Bei den „HR-Größen“ erlebe ich leider sehr häufig die gleichen Gesichter. Egal welche Veranstaltung ich besuche, immer wieder die selben Personen mit den gleichen Inhalten – manchmal wird einfach nur der Titel ausgetauscht, die Präsentation und Inhalte sind exakt gleich „wie immer“. Sie treten teilweise mehrfach pro Woche auf – da fragt man sich manchmal schon, wann sind die noch für ihr Unternehmen tätig und aus welchem Interesse treten sie auf? Dann wird in Plenumsdiskussionen „diskutiert“, wobei eine echte Diskussion selten aufkommt – meistens handelt es sich um Monologe einzelner Alpha-Tiere die zeigen, wie herausragend sie sind. Oder es gibt einen Vortrag, der die heile Welt beschreibt und die HR-Größe erklärt, wie super alles in ihrem Unternehmen läuft und was sie alles erreicht haben. Meistens unter sehr vagen Titeln und mit sehr pauschalen Aussagen – Transformation, Digitalisierung, Employer Experience sind so Schlagworte, die dabei immer wieder vorkommen. Doch was steckt wirklich dahinter? Das zeigt niemand, man will sich ja keine Blöße geben. Und was nützt es dem durchschnittlichen, mittelständischem Unternehmen, wie die 5 größten Unternehmen Deutschlands unterwegs sind – mit Projektteams und Budgets, die teilweise höher sind, als der Umsatz des gesamten Unternehmens.

Dienstleister haben ein klares Interesse – sie wollen ihr Produkt oder ihre Dienstleistung präsentieren und verkaufen. Meistens verpackt in ein inhaltliches Thema geht es am Ende doch darum, mögliche Interessenten oder Käufer zu finden.

Die Mischung daraus sind dann Veranstalter, die unter dem Mantel eines aktuellen Themas auftreten und versteckt sich und ihre Leistungen vermarkten. Auch dafür gibt es mehr als genug Freiraum und Möglichkeiten der Präsentation. Meist gepaart mit einer Diskussionsrunde rund um die Präsentationen von Dienstleistern.

Doch wer hört sich rund um die Uhr diese Vielzahl an Vorträgen, Präsentationen oder Diskussionen überhaupt noch an? Im Home Office mag das einigermaßen gehen, doch was sagen die Kollegen im Büro, wenn ich stundenlang nur auf den Bildschirm starre – der neue Film bei Netflix oder doch eine berufliche Tätigkeit?

Aus meiner Erfahrung heraus nehmen heute ca. 50 – 100 Personen an einer solchen Veranstaltung teil. Davon sind vermutlich 1/3 Wettbewerber des Vortragenden, eine Handvoll kommt aus dem eigenen Unternehmen und 1/3 sind Studenten oder allgemein Interessierte. Ein wirklich kleiner Teil besteht tatsächlich aus der Zielgruppe, die der Präsentierende erreichen will – nicht gerade viel.

Da verwundert es nicht, dass nicht immer die Besten präsentieren – langweilig und manchmal ertappe ich mich dabei, dass ich die ganzen äh’s und mh’s mitzähle, die ein Referent von sich gibt. Ganz zu schweigen von der Qualität der Folien, die – gelinde gesagt – manchmal einer gewissen Überarbeitung bedürfen. Vielleicht ist das aber auch der Grund, dass einige Präsentationen mittlerweile gar nicht mehr live erfolgen, sondern nur noch als aufgenommenes Video abgespielt werden – und das auf einer Online-Live-Veranstaltung! Das ist für mich schon grenzwertig und zeigt, wie wichtig die Teilnehmer dem Vortragenden sind. Dann soll er sein Video doch auf YouTube oder einen anderen Kanal laden und fertig – dann weiß wenigstens jeder, dass es nur eine Konserve ist.

Kids doing silence gesture over white background

Austausch, Kommunikation, Feedback – leider nicht viel bis gar nicht. Die meisten Anbieter schalten die Teilnehmer auf stumm – nur keine Unterbrechungen – und dann ist das höchste der Gefühle die Möglichkeit, im Chat eine Frage einzugeben. Diese wird dann vielleicht am Ende des Vortrags beantwortet. Meistens klappt das Beantworten aber aus Zeitgründen nicht mehr („Wir melden uns bei Ihnen“) oder es ist bei den Konserven gar nicht möglich, da ja gar kein Ansprechpartner vorhanden ist.

Ok, ich gebe es zu, ich bin kein Fan dieser Veranstaltungen. Ich selbst nutze sie für unseren Vertrieb überhaupt nicht, wir gehen bei der BEGIS viel lieber den persönlichen, individuellen Weg – auch wenn er mühsamer und aufwändiger ist. Interessenten können sich online oder persönlich sofort einen Termin eintragen und erhalten dann ihre eigene Präsentation, 1:1, ohne Stummschaltung und mit der Möglichkeit, sofort Fragen zu stellen und die individuelle Situation des Unternehmens zu diskutieren.

Ich bin der Meinung, diese Wertschätzung hat jeder Interessent verdient.

Thomas Eggert

Schon seit fast 30 Jahren beschäftige ich mich mit dem Thema Personalarbeit, ob zuerst als Personalmanager oder später als Partner der Personalmanager. Meine Themen sind vor allem das operative Personalmanagement, das neben Themen wie Recruiting oder Personalentwicklung die Basis des Personalgeschäfts absichert. Weiterhin beschäftige ich mich mit der Effizienz in modernen Personalabteilungen. Ich bin heute Geschäftsführer bei der BEGIS GmbH und engagiere mich bei der Aktion gegen Populismus als Gesellschafter der dump beer UG.

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