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Virtuelle Führung – eine neue Sau wird durchs Dorf getrieben

Virtuelle Führung – was ist das jetzt wieder für ein Quatsch? Endlich haben die Berater wieder ein neues Spielfeld gefunden. Seit immer mehr Unternehmen – endlich – digitale Arbeitsplätze schaffen und Home Office immer mehr „en vogue“ wird, haben jetzt auch die Coaches wieder etwas ganz Neues erfunden – die virtuelle Führung.

Mindestens 5x am Tag erhalten ich zur Zeit Einladungen für virtuelle Seminare um endlich virtuelle Führung zu lernen. Egal ob auf XING, LinkedIn, facebook oder zugespamt mit irgendwelche Newslettern, die Seminare werden mir gerade auf allen möglichen Plattformen tagtäglich angeboten. Meistens beginnend mit den ganz spannenden Schlagwörtern „in der aktuellen Situation“, „bei der momentanen Krise“ oder „gerade in der jetzigen Zeit“. Besonders interessant finde ich dann die Inhalte dieser Webinare, wie zum Beispiel „Das Webinar vermittelt den Teilnehmern Erkenntnisse zur Bewältigung der besonderen Herausforderungen an Führende im Remote-Kontext und zeigt konkret umsetzbare Tools und Methoden, die Selbstführung und die von Mitarbeitern und Teams trotz den Herausforderungen digital vermittelter Kommunikation zu verbessern.“ Das muss man sich erst einmal auf der Zunge zergehen lassen, dabei musste ich den Satz mehrfach lesen, um ihn wirklich zu verstehen. Aber was soll denn der ganze Unsinn?

Virtuell bedeutet doch „nicht echt“ oder „nicht in Wirklichkeit vorhanden“. Nicht echt führen??? Unwirklich führen??? Das muss mir erst einmal jemand erklären, wie ich unwirklich führen soll. Wenn ich führe, dann wirklich, real und egal ob persönlich, am Telefon oder per Video. Jetzt wird plötzlich die Situation des Home Office als Begründung genutzt, um hier eine angeblich neue Form der Führung zu propagieren. Dabei ist das Thema doch wirklich nichts Neues.

Ich bin nun seit mehr als 30 Jahren in Führungspositionen. In dieser Zeit hatte ich vielleicht nur ca. 3 Jahre die Möglichkeit, Mitarbeiter ständig in meiner Umgebung zu haben, also im gleichen Büro oder Bürokomplex. Die restliche Zeit waren es Teams über mehrere Standort verteilt (deutschlandweit) oder einzelne Mitarbeiter oder Teams, die in verschiedenen Ländern unterwegs waren. Diese habe ich sehr selten persönlich getroffen und das meistens nur bei großen Meetings oder Veranstaltungen. Was war da so unterschiedlich zu einer Situation, in der Mitarbeiter im Home Office arbeiten – vielleicht sogar in der gleichen Stadt? Und dabei war es vor der Digitalisierung etwas problematischer, sich mit den Mitarbeitern oder Kollegen auseinander zu setzen. Die Kommunikation über weitere Strecken ist zum Glück durch die neuen technischen Möglichkeiten mittlerweile viel einfacher geworden. Wir hatten damals ja nichts (Kalauer) außer einem Telefon und Post aus Papier. Telefonieren war zum einen teuer und nur vom Schreibtisch aus möglich und mit mehreren gleichzeitig telefonieren ging gar nicht. Heute gibt es Chats, Mail und Videokonferenzen, bei denen man sich sogar persönlich sehen kann. Warum ist diese Führung denn heute plötzlich so schwierig, dass ich dafür eine eigene Schulung benötige? Oder wird einem hier gelehrt, wie ein Video-Call funktioniert?

Ich glaube zum einen, dass die größten Nutznießer vor allem die Anbieter sind. Da kostet so ein Webinar mit 1 1/2 – 2 Stunden ca. 100,00 – 200,00 Euro. Bei nur 10 Teilnehmern sind das pro Stunde schnell mal 1.000,00 Euro – bei extrem geringen Kosten. Ich glaube aber auch, dass viele Themen heutzutage viel zu theoretisch angegangen werden. Manchmal hilft ein gesunder Menschenverstand und eine einfache Philosophie:

Behandle deine Mitmenschen so, wie du behandelt werden willst.

Das hilft aus meiner Erfahrung am Besten und dieser Tipp war jetzt absolut kostenfrei – (vielleicht ist er deshalb für viele nichts wert)! Ich sollte darüber ein Webinar machen …

Thomas Eggert

Schon seit fast 30 Jahren beschäftige ich mich mit dem Thema Personalarbeit, ob zuerst als Personalmanager oder später als Partner der Personalmanager. Meine Themen sind vor allem das operative Personalmanagement, das neben Themen wie Recruiting oder Personalentwicklung die Basis des Personalgeschäfts absichert. Weiterhin beschäftige ich mich mit der Effizienz in modernen Personalabteilungen. Ich bin heute Geschäftsführer bei der BEGIS GmbH und engagiere mich bei der Aktion gegen Populismus als Gesellschafter der dump beer UG.

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