HR-Effizienz

Ein Hoch auf die Personalarbeit

pro contraEs gibt vermutlich in Deutschland keinen anderen Bereich, über dessen Sinnhaftigkeit so viel diskutiert wird, wie über den Personalbereich (neudeutsch HR). Da wird von einer aussterbenden Spezies gesprochen, da heißt es „Kill HR“ oder das Mitarbeiter „trotz des Personalers“ für Unternehmen gewonnen werden. Laut Studien werden Personaler von Ihren CEO’s nicht akzeptiert und sind kein strategischer Partner für die Unternehmensleitung. Nun, jeder, der ab und zu meinen Blog liest, weiß das ich nicht viel von Studien halte. Vor allem, da diese häufig nur in Großunternehmen durchgeführt werden oder auch oft so interpretiert werden, wie es dem Auftraggeber gerade am liebsten ist. Und wenn man sich auf den verschiedensten Foren umschaut, dann lästern in der Regel nur Berater über den Personaler, die selbst oft noch nie in einer Personalfunktion tätig waren aber genau wissen, wie es geht. Das ist ungefähr genau so, wie wenn ein Bäcker einem Zahnarzt erklärt, wie er einen Zahn behandeln muss (oder auch umgekehrt – der Zahnarzt dem Bäcker erklären muss, wie man Brot bäckt). Ich habe komischerweise so gut wie nie einen Personaler in einem solchen Forum erlebt, der

  • entweder aktiv mit diskutiert oder
  • auch mal den „Berufsstand“ des Personalers verteidigt

Ich hatte mich vor kurzem mit einem Geschäftsführer unterhalten, der neu in der Branche ist und vorher in verschiedenen anderen Branchen und Bereichen tätig war. Er war eigentlich sehr darüber verwundert, dass sich die Personaler so „zerfleischen“ und über sich diskutieren lassen. Er hatte das bisher auch in keinem anderen Bereich oder Branche so erlebt.

Dass sich Personaler an Ihrer Selbstzerstörung nicht aktiv beteiligen, ist eigentlich klar. Wie heisst es doch so schön: „Diskutiere nicht mit dem Frosch über das Austrocknen seines Teiches“ – aber dass sich nicht einmal ein Personaler hinstellt und sein bisheriges Tun verteidigt, das wundert mich schon etwas. Aber Personaler sind nun einmal nicht die berühmten Vertriebler und stellen Ihr Licht schon gerne mal unter den Scheffel.

Dabei haben sie das aus meiner Sicht gar nicht nötig. Denn wer

  • hat sich denn allein schon im administrativen Bereich darum gekümmert, dass die Mitarbeiter juristisch einwandfreie Arbeitsverträge oder Zeugnisse bekommen
  • wickelt monatlich pünktlich die Gehaltsabrechnung ab, mit allen Vorschriften der Gesetzgebung, Tarifverträge und Sozialversicherung, damit die Mitarbeiter ihr wohlverdientes Gehalt bekommen und die Finanzbuchhaltung die entsprechenden Zahlen erhält
  • kümmert sich um Ausbildungspläne, IHK’s, Berufsschulen, Trainees und deren Einstellung, Ausbildung und spätere Einsatzmöglichkeiten im Unternehmen
  • erstellt Stellenbeschreibungen, Bezahlungsmodelle, Arbeitszeitregelungen u.v.m.
  • hält den Kopf hin bei Steuerprüfungen, Arbeitsgerichten, Aufsichtsämtern etc.
  • ist Mittler zwischen Unternehmen, Mitarbeiter und Betriebsrat
  • verhandelt mit den entsprechenden Gremien Betriebsvereinbarungen, Regelungen für die Mitarbeiter usw.
  • klärt Themen wie Lohnfortzahlung, Pfändungen und regelt das mit den Ämtern und Behörden
  • liefert Statistiken, Auswertungen, Zahlen für Unternehmensleitung, Führungskräfte oder Controlling
  • setzt Tarifverträge oder neue gesetzliche Regelungen um
  • kümmert sich um Themen des Personalabbaus, Sozialpäne oder der Umstrukturierung
  • entwickelt Systeme zur Mitarbeiterbeurteilung, Personalentwicklung oder Vorruhestandsregelung
  • führt neue IT-Systeme ein mit Möglichkeiten des ESS, MSS oder Bewerbermanagementsystemen

Ich glaube, diese Liste kann man noch ewig weiter schreiben und entschuldige mich jetzt schon für Bereiche, die ich auf Grund einer besseren Lesbarkeit nicht genannt oder schlichtweg vergessen habe.

Ich weiß aber auch, dass jetzt wieder genug Leser (vor allem die Berater) denken werden, das ist aber nicht HR 2.0 (oder sogar 4.0)! Der hat doch keine Ahnung und das ist doch alles nicht modern. Personal muss Change gestalten, strategisch sein und Social Media konform die Candidate Experience für die Generation Y sicher stellen.

So langsam habe ich das Gefühl, es ist einfach, über den Personaler zu meckern und viele schreiben immer nur, der Personaler muss, soll, kann – das aber häufig derart pauschal, unkonkret und auf einer Metaebene, dass er auf keinen Fall selbst angreifbar wird. Und bisher hat auch meines Wissens auch noch keiner beweisen, dass HR 2.0 (4.0) wirklich erfolgreicher ist. Denn nur, weil ein paar StartUp-Unternehmen mit 20 Mitarbeitern plötzlich das Maß aller Dinge sein sollen, muss das Ganze nicht auch in alteingesessenen Unternehmen funktionieren und nur weil eine kleine Zahl an Menschen plötzlich „die Generation Y“ sind, die alles bestimmen, muss sich nicht die ganze Welt verändern. Und wie viele hochgelobte StartUp’s kommen und gehen – aber sie hatten wenigstens eine geile Zeit mit Feelgood-Managern und hippen Büros und haben viel Geld verbrannt.

Natürlich bin ich nicht so blauäugig, dass ich nicht auch weiß, wie wichtig Veränderungen gerade in der heutigen, wesentlich schnelllebigeren Zeit sind und natürlich überziehe ich bewusst einige Themen.

Wir haben heute eine Vielfalt an neuen technischen Möglichkeiten, die Arbeit und die Arbeitsmöglichkeiten zu gestalten. Aber auch das betrifft wieder nur einen Teil der Arbeitnehmer. Denn was nützt einem Bäcker oder Schreiner die Möglichkeit, dass er am Laptop am Strand von Mallorca seine eMails abrufen kann – die Brötchen muss er dennoch in der Backstube backen oder die Treppe in das Haus des Kunden einbauen. Und auch mit der Arbeitszeitgestaltung ist das nicht ganz so einfach wie in anderen Bereichen. Und das ist doch auch kein Thema einer Generation (welch ein Wunder, ich als BabyBommer verwende auch einen Laptop außerhalb meines Büros, nutze ein iPhone nicht nur zum telefonieren und kann Online bestellen), sondern schlichtweg neuer Möglichkeiten und Chancen, die uns die Technik bringt. Wobei das schon Stilblüten mit sich bringt – kürzlich las ich in einem Profil eines Bloggers, dass er Online-Shopper ist – was für eine Qualifikation …

Wir werden einen neuen Arbeitsmarkt bekommen, der sich vom Arbeitgebermarkt zum Arbeitnehmermarkt verändert. Die Demographie schlägt hier so langsam zu und wir haben in Deutschland zum Glück immer weniger Arbeitslose. Hier wird sich das Recruiting sicherlich verändern und wir müssen uns vielleicht auch mal im europäischen Umland umschauen, da herrschen sicherlich teilweise noch anderen Bedingungen. Erste Beispiele dafür gibt es bereits, vor allem im Krankenhaussektor.

Dies sind nur zwei Beispiele, wie sich das Umfeld derzeit verändert und auch künftig weiter verändern wird. Aber ist das nun Schuld der Personaler und muss ich deshalb das komplette Personalwesen in Frage stellen? Lasst uns aufhören, nur alles schlecht zu reden (das können wir als Deutsche ja sowieso ganz gut) und Sinn oder Unsinn der Personalarbeit zu diskutieren. Lasst uns über positive Projekte berichten, konkrete Beispiele aufzeigen, die praxisgerecht und für viele nutzbringend sind (und nicht nur für die Top Dax-Unternehmen umgesetzt werden können). Wir sind ein Land des Mittelstandes, Handwerks und beschäftigen auch in öffentlichen und sozialen Einrichtungen tausende von Mitarbeitern. Denn wie heißt es so schön – „Tue Gutes und sprich darüber“.

Und zum guten Schluss: Personaler, beteiligt Euch an den Diskussionen, dass nicht nur die Berater sagen, wie es gehen muss – dann auch hier gilt, der gemeinsame Weg führt zum Ziel.

Thomas Eggert

Schon seit fast 30 Jahren beschäftige ich mich mit dem Thema Personalarbeit, ob zuerst als Personalmanager oder später als Partner der Personalmanager. Meine Themen sind vor allem das operative Personalmanagement, das neben Themen wie Recruiting oder Personalentwicklung die Basis des Personalgeschäfts absichert. Weiterhin beschäftige ich mich mit der Effizienz in modernen Personalabteilungen. Ich bin heute Geschäftsführer bei der BEGIS GmbH und engagiere mich bei der Aktion gegen Populismus als Gesellschafter der dump beer UG.

2 thoughts on “Ein Hoch auf die Personalarbeit

  • Danke für diesen erfrischenden Artikel. Mein Eindruck ist, dass Personaler sich durch einen unrealistisch hohen Anspruch an sich selbst unglücklich machen. Wer glaubt, strategischer Partner sein zu müssen, ist taub für die Anerkennung des Business für seine Leistungen auf administrativer Ebene. Und wer strategischer Partner sein will, ohne dass das Business einen solchen Partner will oder braucht, wird ewig um die verwehrte Anerkennung ringen.

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  • Danke für den Artikel!
    Greift einige Gedanken auf, über die ich im Laufe der Jahre auch schon gebloggt habe, z.B. hier vor ziemlich genau einem Jahr: https://andreahartenfeller.wordpress.com/2015/02/27/freitagsgedanke-verwalter-oder-gestalter-oder/

    Zum Schlusssatz hätte ich jetzt ja fast gesagt, hey, Moment, da schmeißen „wir Personaler“ schon den Laden (oft im Hintergrund), sind „Strategen, Personalfinder, Businesspartner, Trainer, Controller, ROI-Berechner, Statistiker, Lohnabrechner, Datenbankpfleger, Aktendompteure, Prozessoptimierer, Kulturbeauftragte, Stellenanzeigentexter, Fachchinesischübersetzer, Minderheitenbetreuer, Notfallmanager“… und dann sollen wir auch noch Flagge zeigen und diskutieren und richtigstellen und überhaupt 😉

    Das Kommentieren, Diskutieren, präsent sein ist eine Sache mehr, die Zeit kostet, eine Sache, die man auch irgendwie mögen muss, und ich verstehe alle Kolleginnen und Kollegen, die diese Zeit lieber anders investieren.

    Klar wäre es toll, wir würden mehr voneinander lesen, Best Practices austauschen, die im Unternehmensalltag funktionieren. Doch auch das braucht Zeit. Und ein bisserl Ermunterung, und Geduld.

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