Wenn Ihr Mitarbeiter sucht – verschickt Lutscher und Nagellack!
Als Personaler und vor allem in der Blogger-Szene kommt man an dem Thema Recruiting nicht vorbei. Gefühlte 80% der Blogs beschäftigen sich mit dem Thema und einige davon lese ich auch sehr gerne und regelmäßig. Noch mehr steht das Thema natürlich bei mir im Fokus, seit wir die SiiWii gegründet haben, mit der wir den Recruiting-Markt künftig verändern wollen.
Ein wichtiger Bestandteil im derzeitigen Recruiting-Prozess ist das Personalmarketing und die Ausprägungen, die dieses Thema hervorbringt, sind meistens erheiternd, manchmal aber auch erschreckend. Mittlerweile scheint das Marketing für Bewerber wichtiger geworden zu sein als das Marketing für das Unternehmen oder seine Produkte und Dienstleistungen. Es gibt mittlerweile eine Heerschar an Agenturen nur für das Thema Personalmarketing und natürlich unzählige Studien und Berichte, die belegen, dass ohne ein gezieltes Personalmarketing kein einziger Mitarbeiter mehr zu finden ist. Die Budgets in den Unternehmen werden immer höher und die Agenturen freuen sich. Ganz am Rande verstehe ich nicht so ganz, wie es unterschiedliche Strategien für das Produktmarketing und das Personalmarketing geben kann – spiegelt das Personal nicht die Produkte und umgekehrt wider? Ich kann doch nicht das Produkt als „erzkonservativ“ verkaufen und das Unternehmen bzw. seine Mitarbeiter als „hipp“ – oder eine seriöse, alteingesessene Unternehmensberatung als Youngster-Bude.
Letzte Woche wurde ich nun mit dem Thema Personalmarketing direkt konfrontiert und wenn das der Weg ist, Mitarbeiter für ein Unternehmen zu gewinnen – naja.
Ich bekomme überraschend von der Post ein Päckchen, ungefähr so groß wie ein Schuhkarton. Da ich nichts bestellt hatte, war ich neugierig, was enthalten war. Also schnell geöffnet (der Absender war ein großes Consulting-Unternehmen) und darin fand ich einige „spannende“ Artikel oder neudeutsch „Goodies“.
- Eine ca. 20-seitige Broschüre, vollgespickt mit Buzzwords, natürlich in der „Du-Form“ und schlichtweg eine reine Marketingbroschüre – für mich sehr nichtssagend, die Inhalte spiegeln genau das wieder, was jeder hören will und kann beliebig kopiert werden
- Eine dicke Mappe in DIN A4, ca. 25 Seiten, pro Seite eine Überschrift, manchmal ein Bild dabei, dicker Karton, die scheinbar über diese Kampagne berichten soll. Sehr unhandlich
- Ein Blatt mit 4 Fotos von der Kampagne
- Jetzt kommen die wirklich wichtigen Dinge: 20 Aufkleber, 1 Lutscher, 1 Nagellack und 1 T-Shirt Größe M (wer mich kennt, weiß, dass das ziemlich knapp wird)
- Und das war’s
Nachdem kein Anschreiben dabei war, habe ich, neugierig wie ich bin – bei der Firma angerufen und gefragt, warum sie mir das senden. Die freundliche Dame am Empfang wusste von nichts und versprach, das Ganze für mich zu klären. Ca. 1 Stunde später bekomme ich einen Rückruf, der das Mysterium dann aufklärt. Das Unternehmen will auf seine Personalmarketing-Kampagne aufmerksam machen und möchte, dass ich als Blogger darüber schreibe. Daher hat man mir das Paket zugeschickt und ja – ich schreibe darüber, aber …
… glauben denn Unternehmen wirklich, dass sie mit Lutschern, Nagellack, T-Shirts und nichtssagenden Broschüren Mitarbeiter finden? Finden es alle ok, gleich geduzt zu werden? Ist das (in diesem speziellen Fall) die neue Generation an Beratern? Fragen über Fragen, auf die ich vermutlich keine Antwort bekomme, ich weiß aber, was ich darüber denke und übrigens: Ich werde keine Aufkleber irgendwo hin kleben und das T-Shirt nicht einmal meinem 11-jährigen Sohn geben.
Mir ging so ein Päckchen auch zu. Am Ende der beiliegenden Mappe war auf der letzten Seite übrigens ein „Bloggen!“-Befehl. Wer auch nur einen Hauch von Blogger-Relations versteht, weiß, was das bringt … bzw. wie es ankommt …
Den blauen Nagellack hat Svenja Hofert zumindest kurz getestet (siehe ihr aktueller Blog-Beitrag) – bei mir hat sich der Sohnemann über den Lolly gefreut.
Immerhin. 🙂
Ich hatte den Beitrag von Svenja Hofert noch gar nicht gelesen – ich kann ihr nur zustimmen.
Übrigens – auch bei mir den der Lolly den Weg zum Sohnemann gefunden 😉
Herrlich eure Artikel zu dem Thema, da fühle ich mich gleich besser (Grüße aus dem Krankenlager). Jetzt wäre es interessant zu wissen, wer denn da die Idee hatte – Marketing, HR oder eine externe Agentur 😉 Ich ahne schlimmes 😉
Liebe Grüße aus Wien Claudia
Das mit dem Nagellack ist sicher nur ein Ausdruck dafür, wie gelebte Diversity im Arbeitsalltag aussieht, und dass auch die Herren der Schöpfung diesen Kosmetikartikel verwenden können, und außerdem gibt es den Nagellack sicher in den Unternehmensfarben für das entsprechende Statement, und überhaupt.
So wird das nix mit dem Employer Branding, wenn zu wenig Phantasie im Spiel ist 😀
Na gut, dann teste ich mal den Nagellack und warte auf die Reaktion beim nächsten Kundentermin (wobei ich glaube, dass es den nur in blau gibt) 😉
Einfach zu witzig. 16-jährige Nagellack Bloggerinnen hätten sich darüber wie bekloppt gefreut und gleich 5 Fotos auf Instagram hochgeladen. Anhand des Inhalts des Pakets würde ich sagen: volle Kanne am Ziel vorbeigeschossen.
Grüße aus Leipzig
Myriam
Es freut uns, dass die Lollies auf so positive Resonanz stoßen. Mit dem Nagellack habt ihr recht, das müssen wir nochmal überdenken. Auch wenn das auf dem Absolventenkongress der absolute Renner war, muss ich zugeben, dass ich den Nagellack, allen Diversity-Initiativen zum Trotz, auch noch nie genutzt habe.
Wessen Idee das war, bleibt aber unser Geheimnis 😉
Euer Adrian von Detecon
Pingback: Personalarbeit 7.0 bei Google? SiiWii adressiert lieber Fachkräftemangel in der Pflege - Zukunft Personal | HRM Expo BLOG
Nachdem ich die Kommentar-Konversation auf dem Blog von Svenja Hofert gelesen habe muss ich zugeben: Chapeau, kein ganz blöder Schachzug.
Darüber hinaus finde ich die meisten Personalmarketing Kampagnen dann doch eher zweifelhaft. Es ist schon irgendwie erschreckend, wie unendlich hipp sich die viele große Unternehmen derzeit nach außen präsentieren. Da wird selbst vor Katzen-Content und Internethumor nicht mehr zurück geschreckt. Wenn man dann mal genauer hinschaut, bleiben von dem blauen Nagellack am Ende des Tages dann doch nur abgekaute Fingernägel zurück. (@Adrian von Detecon: Ich habe mich nur passenderweise deinem Beispiel bedient. Detecon als Arbeitgeber kenne ich nicht)
Und dann sitzen wieder alle ratlos mit Leberwurstbrötchen und Filterkaffee im Management-Meeting und fragen sich, warum auf einmal die Fluktuationsraten explodiert sind….
Ganzheitliches Employer Branding. Just sayin’…
In diesem Sinne beste Grüße!
Felix