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Und dann duzt der den Kunden!

„Wer eine Reise macht, der hat was zu erzählen“ – diese alte Weisheit bewahrheitet sich doch immer wieder. So hatte ich diese Woche wieder einmal ein Erlebnis der dritten Art bei meiner Rückreise von Köln nach München. Doch was ist passiert?

Ich sitze am Flughafen Köln in der Lounge und rechts von mir ein Businesskasper. Perfekt sitzender Anzug, teure Uhr, Laptop am Tisch, Earpods im Ohr (also die ohne Kabel) und mehr als laut telefonierend – natürlich im Stehen, so sieht man ihn ja schliesslich viel besser. Und das Gespräch war wirklich interessant, denn er berichtete von einem Kundentreffen (die Namen lasse ich jetzt weg, sind uns alles aus der Lounge aber wohl bekannt). Und dann erzählt er von einem jungen, 25-jährigen Schnösel von der SAP, in Jeans und einem Hemd, das er ausserhalb der Hose trug. Der Schnösel lehnte lässig im Stuhl – und jetzt kommt es in voller Lautstärke „… und dann hat der den Kunden geduzt!!! Der hat den Kunden geduzt und dann in die restliche Runde mit Vornamen vorgestellt. DER HAT DEN KUNDEN GEDUZT!!“. Das hat ihn scheinbar wirklich beeindruckt, denn er konnte das gar nicht oft genug wiederholen. Nun, der Rest der Lounge hat sich nur gegenseitig angeschaut, gelächelt und die Welt nicht mehr verstanden. Das hat die Wartezeit dann zum Glück etwas erheitert.

Doch wie gehen wir mit dem Thema des „Du“ wirklich um? Ich gehöre ja mit Mitte 50 mittlerweile auch zu der „älteren Generation“, war aber schon in der Vergangenheit jemand, der das alles nicht so eng sieht. Obwohl ich mal so Regeln gelernt habe wie: „Der Ältere bietet es dem Jüngeren an“ oder „der Vorgesetzte dem Mitarbeiter“ und nicht anders herum. Ich kenne aber auch viele Kollegen, die ebenfalls ihre Kunden schon beim ersten Mal duzen und die scheinbar damit kein Problem haben, auch auf oberster Ebene nicht.

Ich bekomme derzeit – vor allem über LinkedIn – viele Vertriebsanfragen mit dem Angebot der unterschiedlichsten Dienstleistungen, vom Abnehmen im Unternehmen über Selbstfindungsseminare bis hin zum Reinigen von Firmenfahrzeugen. Gefühlt schreiben mich derzeit 80% mit „du“ an, obwohl wir noch nie ein Wort miteinander gesprochen haben. Vornehmlich Vertriebler aus StartUp’s aber auch immer mehr aus renommierten Unternehmen. Ehrlich gesagt, stößt mich persönlich diese Vorgehensweise im ersten Schritt eher ab, denn aus meinem Gefühl oder auch aus meiner Erziehung heraus, hat das für mich sofort einen negativen Eindruck. Ich bin bei diesem Thema wirklich nicht zurückhaltend, ich bin mit vielen Menschen „per du“, aber mit allen habe ich zumindest vorher mal Kontakt gehabt und mit ihnen das ein oder andere Wort gewechselt. Ich glaube aber auch, dass derzeit viele modern oder hip sein wollen, weil das ja alles gerade „in“ ist. Ab und zu mache ich mir den Spass und schreibe zurück, wie der Absender dazu kommt, mich zu duzen. Einmal kam die Antwort, dass das deren Unternehmenskultur sei – aber was ist mit meiner Unternehmenskultur oder meiner persönlichen Kultur?

Mich würde mal interessieren, wie sie – oder ihr – das handhabt, welche Erfahrung habt ihr gemacht bzw. wie geht ihr mit dem Thema um? 

Thomas Eggert

Schon seit fast 30 Jahren beschäftige ich mich mit dem Thema Personalarbeit, ob zuerst als Personalmanager oder später als Partner der Personalmanager. Meine Themen sind vor allem das operative Personalmanagement, das neben Themen wie Recruiting oder Personalentwicklung die Basis des Personalgeschäfts absichert. Weiterhin beschäftige ich mich mit der Effizienz in modernen Personalabteilungen. Ich bin heute Geschäftsführer bei der BEGIS GmbH und engagiere mich bei der Aktion gegen Populismus als Gesellschafter der dump beer UG.

5 thoughts on “Und dann duzt der den Kunden!

  • Finde das Du nicht abwärtend, es kommt eher darauf an WIE man es benutzt…Wenn mich jemand siezt, aber von oben herab und arrogant, dann ist mir das saloppe „Du“ lieber, wenn das dafür ganz auf Augenhöhe kommt.

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  • Ich bin ebenfalls ein Babyboomer (wie Thomas ;-)) und mit dem „Sie“ ursprünglich sozialisiert. Meine berufliche Erfahrung ist, dass Unternehmen, die von der Unternehmenskultur eher zum angelsächsischen Raum tendieren, auch eine „Du“ Kultur pflegen. Hier wird dann das „Du“ ähnlich wie das „you“ im englischen verwendet. Für mich ist sowohl das „Du“ als auch das „Sie“ in Ordnung, aber es sollte authentisch und nicht aufgesetzt sein. Im der Tiefe des Miteinanders spielt das kaum Unterschied. Distanz und Nähe müssen nicht zwangsweise bei einem „Du“ näher sein, als bei einem authentisch gelebten „Sie“. Auch nicht, wenn dann zu dem „Du“ noch die Ansprache mit Vornamen anstatt des Nachnamens kommt.

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  • Ich bin nun auch schon über 50 und mit dem „Sie“ als Respektbezeichnung aufgewachsen. Vermutlich bin ich eher der konservative, steife Mensch, der immer bemüht ist, die Etikette zu wahren. Nach meiner Militärzeit, in der sich die Frage nach dem „Du“ eigentlich nie gestellt hatte, habe ich in einem amerikanisch orientierten Unternehmen mein Zuhause gefunden und fand die entspannte Atmosphäre mit dem „Du“, nach dem anfänglichen Kulturschock, „cool“. Als ich Aufstieg führte ich in den Korrespondenzen ganz automatisch das „Sie“ ein, obwohl wir uns mit Vornamen ansprachen. Nach einiger Zeit bekam ich mal den Hinweis, den Stock aus meinem … zu ziehen und etwas lockerer zu werden. Also dutzte ich jeden. Bis ich mal meinen neuen Chef anrief und ihn in bewährter Manier dutzte, um mich Sekunden später am Telefon in Achtung zu befinden. Nun haben wir eine Kultur, in der wur dutzen und uns ab einem bestimmten Level dutzen. Verwirrend, da keiner weiß, wann und wen. Also nach Bauchgefühl, wobei ich o.g. Erfahrung beidseitig weiterhin erlebe. Geändert hat sich, dass ich nun zunehmend von meinen neuen Mitarbeitern gesiezt werde, obwohl ich das nicht so vorlebe. Positiv betrachtet, scheine ich eine gewisse Würde auszustrahlen oder anders betrachtet, ich sehe einfach zu alt zum Dutzen aus.
    Kurz gesagt, ich schätze, im Ausland das entspannte „you“ mit Vornamen, aber ich Deutschland haben wir eine andere Kultur und ein „Du“ muss passen.

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  • Pingback: LinkedIn: Das Facebook für Geschäftskontakte? - Beraterleben - Consulting Blog

  • Vielen Dank für diesen Beitrag und die Kommentare. Ich gehöre auch den Babyboomern an und überlege seit einiger Zeit, in meiner Kommunikation bei Xing und Linkedin auf das „DU“ umzuschwenken, zumal mir das von meinem Berater geraten wurde.

    Nun habe ich seit einigen Tagen erste Gehversuche mit dem „DU“ gemacht und merke, dass ich schnell wieder in das „Sie“ verfalle und so ist eine Mischmasch entstanden. Ich denke, das ist garnicht gut…. Gewohnheit spielt da sicher auch eine große Rolle und wenn ich so Eure Erfahrungen lese, denke ich nun, ich bleibe beim „Sie“, wenn es um Erstkontakte geht. Ich bin noch nicht Reif für das „DU“ und Deutschland wohl auch nur teilweise. Mit „Sie“ kann ich nichts falsch machen, mit „Du“ schon, das habe ich von Euch gelernt. Danke!

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