HR Allgemein

Reden statt digitalisieren

Liebe Digitalisierungs-Freaks:

Redet doch einfach mal miteinander!

Diese Aussage wird für mich immer wichtiger, denn aus meiner Sicht gibt es hier Entwicklungen, die nun wirklich keinen Sinn mehr machen.

Vor kurzem habe ich einen Post auf facebook gelesen. Das ist ja eigentlich noch nichts besonderes, der Inhalt war es für mich aber schon. Eine Führungskraft war ganz stolz, dass er morgens ins Büro kommt, den Rechner anwirft und sofort mit seiner neuen Software sieht, wie gut (oder schlecht) es seinem Team geht. Denn er hat jetzt ein Programm von einem StartUp, mit dessen Hilfe er die Stimmung im Team laufend detailliert auswerten kann. Er sieht an Kreisen und Farben, wie es dem Team geht und kann nachlesen, welche Themen dem Team gerade wichtig sind. Das ist nun wirklich eine geniale Idee, denn jetzt braucht man endlich auch dieses ganze New Work nicht mehr. Wozu dann noch Kommunikationsbereiche schaffen (bei den meisten Unternehmen ist das immer noch der Raum, in dem die Kaffeemaschine steht) oder gemeinsame Meetings außerhalb des beruflichen Alltags organisieren, wenn ich doch alles in einer App auf einem Dashboard sehen kann? Endlich müssen wir nicht mehr persönlich miteinander sprechen und Interesse an unseren Mitmenschen heucheln.

Ich bin selbst ein absoluter Befürworter der neuen technischen Möglichkeiten und der Digitalisierung (allein schon beruflich bedingt), aber ich glaube auch, in manchen Bereichen wird das ganze Thema so langsam gewaltig übertrieben. Da werden mit aller Gewalt Themen gesucht, die digitalisiert und am besten noch in ein StartUp gepackt werden können. Ich weiß ehrlich gesagt nicht, wie ich in den letzten dreißig Jahren Teams führen konnte, so ganz ohne App, Dashboard oder automatischen Mitteilungen. Ich habe da leider immer noch so eine altmodische Methode und spreche mit Menschen. Mit dieser Methode kann ich auch konkret nachfragen, erhalte menschliche Reaktionen und erfahre etwas über ihre Motivationen, Sorgen oder Ängste.

Andere sind vermutlich nur auf der Suche nach vielen Postings, denn warum schreiben manche auf facebook, LinkedIn oder anderen sozialen Medien in öffentlichen Streams andere Personen an, um sich mit ihnen zu treffen oder einfache Fragen zu stellen. Ich lese immer mehr so völlig sinnfreie Posts wie: „Hallo xy, ich bin gerade in xxx, treffen wir uns?“. Kann man so machen – interessiert aber sicher nur die eine Person und nicht die ganze soziale Gemeinschaft. Aber so konnte der Verfasser wieder einen Post schreiben, bekommt darauf viele „Gefällt mir“ oder ähnliche Reaktionen (warum eigentlich?). Dabei könnte auch hier so ein altmodischer Apparat wie ein Telefon einen direkten Austausch ermöglichen, ohne dass die ganze Gemeinschaft mitlesen muss. Aber vielleicht ist man dann nicht mehr so wichtig und erscheint nicht alle 30 Minuten in der Timeline – ich weiß es nicht.

Natürlich vereinfachen die Digitalisierung und die neuen Kommunikationsmethoden vieles in unserem täglichen Leben – wir müssen aber aufpassen, dass wir es nicht übertreiben. Auf der einen Seite fordern viele – mit Recht – dass sich Führung mit den einzelnen Menschen beschäftigt und individuell auf sie eingehen soll. Es wird die Gemeinschaft in Unternehmen durch umfangreiche Maßnahmen gefördert und dann kontrollieren sie über Dashboards die Stimmung im Team – wie sinnvoll ist das alles am Ende?

Thomas Eggert

Schon seit fast 30 Jahren beschäftige ich mich mit dem Thema Personalarbeit, ob zuerst als Personalmanager oder später als Partner der Personalmanager. Meine Themen sind vor allem das operative Personalmanagement, das neben Themen wie Recruiting oder Personalentwicklung die Basis des Personalgeschäfts absichert. Weiterhin beschäftige ich mich mit der Effizienz in modernen Personalabteilungen. Ich bin heute Geschäftsführer bei der BEGIS GmbH und engagiere mich bei der Aktion gegen Populismus als Gesellschafter der dump beer UG.

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